Inflation gefährdet unsere Demokratie

Anders als in traditionelleren Gesellschaften, wo Herkunft und Stand, Familie und Stamm den Platz in der Gemeinschaft bestimmen, ist in modernen Gesellschaften das Geld das bestimmende Element. Wert und Selbstwert hängen in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft nicht zuletzt vom individuell verfügbaren Geld ab. Wenn aber der Geldwert nicht mehr verlässlich ist, verschieben sich die Maßstäbe insgesamt. Das Wertesystem einer Gesellschaft gerät ins Rutschen, mit unabsehbaren Folgen. Auf nichts im Staat scheint mehr Verlass zu sein. Politische und ökonomische Destabilisierung gehen Hand in Hand.

Extrem ist dieser Verlust an Maßstäben in Phasen der Hyperinflation, wie im Deutschland der frühen zwanziger Jahre. Damals untergrub die Inflation das Vertrauen in den neuen demokratischen deutschen Staat. Die ökonomische Destabilisierung brachte nicht nur materielle, sondern auch humanitäre Werte ins Rutschen. Auf einer grundsätzlichen Ebene zerstörte die monetäre Unsicherheit alle verbliebenen Werte.  Die politische und die ökonomische Destabilisierung gehen Hand in Hand. Sie verstärken sich gegenseitig.

Geld, so hat es sich im vergangenen Jahrhundert weltweit eingebürgert, ist ein staatliches Monopolgut. Es muss werthaltig bleiben. Auf Dauer. Inflation ist überraschend, unfair, ungerecht. Man darf das nicht unterschätzen: Stabiles Geld ist ins gesellschaftliche Geflecht eingewoben. Unsere Verträge, unsere Vermögen, das Gros der dauerhaften Wirtschaftsbeziehungen basieren auf der Annahme einer konstant niedrigen Inflation. Wird dieses Versprechen gebrochen, kommt es zu Verteilungskämpfen. Beschäftigte gegen Arbeitgeber, Schuldner gegen Gläubiger, Alte gegen Junge – alle fühlen sich übervorteilt. Inflation ist kalte Enteignung. Überraschend. Unfair. Ungerecht. Inflation ist undemokratisch: Während das Parlament über Steuern und Etatkürzungen offen diskutiert und nachvollziehbar Entscheidungen fällt, breitet sich die Inflation heimlich, still und leise aus.

Erst im Nachhinein wissen die Bürger, dass ein Teil ihrer Kaufkraft weg ist. Das hat aus der Sicht praktischer Politik seinen Reiz, aber es ist hochgefährlich. Wer mit der Inflation spielt, der spielt mit dem Kern der Demokratie – dem Vertrauen der Bürger in die Institutionen ihres Staates. Und das ist ein zu hoher Preis. Schlimmer noch: Inflation zur Entschuldung der öffentlichen Haushalte funktioniert nur überraschend. Das macht sie so perfide.

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